Am Ende sind sie draußen, und dann?

Kommentar

Am Freitag fiel zum dritten Mal das Fallbeil für den von Theresa May mit der EU ausgehandelten „Deal“. Obwohl eigentlich jeder, der das Trauerspiel der letzten zweieinhalb Jahre verfolgt hat, sich ausmalen kann, dass der Vertrag, den May und ihre unglücklichen Brexit-Minister gefühlt 1.000 über den Ärmelkanal hin- und hergeflogen haben, eher ein Diktat aus dem Berlaymont ist. Denn dort saß der EU-Chefunterhändler Michel Barnier sichtbar am längeren Hebel. Ein Kommentar von GE-Chefredakteur Oswald Schröder.

Auf Freitag war auch das eigentliche Brexitdatum festgelegt. Die Regierung um die starrköpfige Theresa May und, hinter ihr, das Unterhaus im altehrwürdigen Westminster haben es fertiggebracht, so viel Chaos um diesen Brexit zu schaffen, dass am Ende keiner mehr den 29. März 2019 auf dem Schirm hatte. Die Politiker an der Themse haben es überdies geschafft, den Ruf eines der angesehensten Parlamente der Welt derart zu ruinieren, dass keiner es noch ernst nimmt.

Am Ende hilft alles Gezeter doch nichts: Es muss etwas geschehen. Und viele Möglichkeiten bleiben nicht mehr, nachdem May mit ihrer Taktik, sich nicht zu bewegen und zu warten, bis einer der anderen Akteure sich bewegt, gescheitert ist. Und das Unterhaus, das einige Tage vor dem Austrittsdatum die Regierung praktisch entmachtet hat, es zwar immer wieder geschafft hat zu sagen, was es nicht will. Was es aber will, steht immer noch in den Sternen.

Doch den eigentlichen Souverän, nämlich das Volk erneut befragen, nachdem man es vor fast drei Jahren mit Unwahrheiten mehrheitlich für den Austritt bewegte, will auch keiner. Man darf auf den Ausgang der nächsten Wahlen auf der Insel gespannt sein: Dann könnte die Generalabrechnung mit der politischen Kaste erfolgen. Da der Geduldsfaden in Brüssel nun nicht gerissen ist, weil man die Briten bisher mit Samthandschuhen angefasst hat, ist zu befürchten, dass er jetzt endgültig reißt. Die Chancen, dass es am Ende ein Austritt ohne Abkommen wird, jedenfalls sind bis auf weit über 99 Prozent gestiegen. Wenn es dazu kommt, muss man eben, an beiden Seiten des Ärmelkanals, mit den Folgen leben.

Die werden in ihren konkreten Auswirkungen wahrscheinlich dramatisch überschätzt – zumindest für den Teil, der den Rest der EU betrifft. Die wirtschaftlichen Folgen werden allerdings gewaltig sein, gerade für Belgien und insbesondere für Flandern und seine Häfen, die fast auf Sichtweite der britschen Küste liegen. Man kann also am Ende nur hoffen, dass der wirtschaftliche Einbruch nicht der Auslöser einer Weltwirtschaftskrise sein wird, die immer mehr Experten als imminent betrachten.

Und man muss hoffen, dass die „braven Engeländer“, wie sie der deutsche Philosoph Friedrich Nietzsche despektierlich beschrieb, „ihre mittelmäßigen Verständer“ konstruktiver einsetzen, wenn, nach dem Austrittsabkommen, das Kooperationsabkommen mit der EU auf dem Tisch liegt. Denn das ist viel wichtiger: für beide Seiten.

Immerhin macht Großbritannien rund 17 Prozent der Wirtschaftsleistung der EU28 aus. Die EU verliert ihre zweitstärkste Volkswirtschaft, nach Deutschland. Hoffentlich gewinnt sie an Einsicht und Erkenntnis und widmet sich – endlich wieder – ihren eigentlichen Aufgaben.

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