Zank um die Großstädte – Türkische Kommunalwahl wird zum Polit-Krimi

Konflikte

Es war mehr als nur eine Kommunalwahl für Präsident Erdogan: Es war ein Test für seine Regierung. Nun wird es ausgerechnet in den zwei wichtigsten Großstädten knapp für seine Partei AKP. Ob es am Montag endlich klare Resultate gibt?

Die türkische Regierungspartei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan könnte bei der Kommunalwahl ausgerechnet die Hauptstadt Ankara verlieren. Dort lag am Sonntag zum ersten Mal seit mehr als 20 Jahren ein Bürgermeisterkandidat der Mitte-Links-Partei CHP vor dem der AKP. Gleichzeitig gibt es Streit um die Wirtschaftsmetropole Istanbul, wo das Rennen zwischen AKP und CHP atemberaubend eng wurde. Klar wurden die Gewinner am Wahltag aber nicht mehr. Denn die Wahlbehörde YSK hatte um kurz nach 23 Uhr Ortszeit aufgehört, Wahlergebnisse zu veröffentlichen. Da waren gerade mal 91 Prozent der Stimmen ausgezählt. Ob sie die Resultate am Montag nachliefern will, blieb zunächst unklar.

Landesweit blieb die AKP mit zunächst rund 45 Prozent aller ausgezählten Stimmen die stärkste Partei. Der Verlust der beiden wichtigsten Großstädte des Landes, die jahrzehntelang AKP-regiert waren, wäre aber ein herber Verlust für den machtgewohnten Staatspräsidenten – und Ansporn für seine Kritiker. Die Verluste waren wohl auch eine Reaktion auf die schlechte wirtschaftliche Lage, die viele Menschen in der Türkei verängstigt und erbost. Die Lira hat massiv an Wert verloren, die Zahl der Arbeitslosen stieg innerhalb eines Jahres um rund eine Million und die Inflation um rund 20 Prozent. Lebensmittel wurden besonders teuer.

In Istanbul lagen AKP und Oppositionspartei CHP zum Schluss so nahe beieinander, dass sie sich nicht auf ein Ergebnis einigen konnten. Obwohl noch gar nicht alle Stimmen ausgezählt waren, erklärte sich am späten Abend plötzlich der Kandidat der AKP, Ex-Ministerpräsident Binali Yildirim, zum Sieger. Selbst nach regierungsnahen Medien lag er da nur mit einem hauchdünnen Vorsprung vorne: mit 48,72 Prozent zu den 48,63 Prozent des CHP-Kandidaten Ekrem Imamoglu.

mamoglu reagierte schnell. Nach Zählungen seiner Partei habe er in Istanbul gewonnen, sagte er. Sein Konkurrent könne den Vorsprung nicht mehr aufholen.

In der Hauptstadt Ankara lag nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu am späten Abend der Kandidat der Oppositionspartei CHP, Mansur Yavas, bei mehr als 50 Prozent. AKP-Kandidaten Mehmet Özhaseki hatte nur rund 47 Prozent bekommen. Auch hier erklärte sich die CHP zum Sieger.

Nach den letzten verfügbaren Teilergebnissen von Anadolu verloren die AKP und ihr Bündnispartner MHP außerdem die Touristen-Hochburg Antalya und das südtürkische Adana an die Opposition. Die Küstenmetropole Izmir ging erneut klar an die CHP, sowie sämtliche Provinzen an der Westküste der Türkei. Die AKP dominierte wie auch bei vergangenen Wahlen Zentralanatolien.

Rund 57 Millionen Türken waren am Sonntag aufgerufen, in 81 Provinzen Bürgermeister, Gemeinderäte und andere Kommunalpolitiker zu wählen. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 84 Prozent.

Oppositionelle Medien wie Bianet oder Dokuz8Haber berichteten von Unregelmäßigkeiten – das Ausmaß der Wahlmanipulationen war aber nicht unmittelbar absehbar. Besonders aufmerksam schauten Wahlbeobachter in den kurdisch-dominierten Osten, wo die große pro-kurdische Oppositionspartei HDP besonders stark ist. Hier gewann die HDP nach Teilergebnissen einige Gemeinden unter Zwangsverwaltung zurück. Nach dem Putschversuch vom Juli 2016 hatte Ankara zahlreiche Bürgermeister der HDP wegen angeblicher Verbindungen zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK abgesetzt. Präsident Erdogan hat allerdings bereits damit gedroht, HDP-Bürgermeister gleich wieder abzusetzen.

Erdogan selbst hatte die Wahl zu einem Referendum über seine Regierung gemacht. Obwohl er gar nicht selbst zur Wahl stand, hatte er fast jeden Tag gleich mehrere Wahlkampfauftritte hingelegt und war durchs halbe Land gereist. Die Wahl hatte er hochstilisiert zu einem Kampf um Fortbestand oder Niedergang des Landes. Am Abend erklärte er seine Partei zum Gewinner der Partei, sagte aber ungewohnt selbstkritisch auch: „Wir müssen akzeptieren, dass wir da, wo wir gewonnen haben, die Herzen unseres Volkes erobert haben, und da, wo wir verloren haben, nicht erfolgreich genug waren.“ (dpa)

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