Mobilitätsbudget als Alternative zum Firmenauto

Arbeitsmarkt

„Drei Fliegen mit einer Klappe“ will Arbeitsminister Kris Peeters (CD&V) dank des sog. Mobilitätsbudgets schlagen, das Arbeitnehmern umweltfreundlichere Alternativen zum Firmenauto bietet: weniger Staus, weniger Luftverschmutzung und weniger Pendlerstress. Die gesetzliche Grundlage des Mobilitätsbudgets trat am 1. März in Kraft, am vergangenen Freitag wurde der Ausführungserlass im Staatsblatt veröffentlicht.

Von Gerd Zeimers

Das Gesetz über das Mobilitätsbudget, das rückwirkend am 1. März 2019 in Kraft trat, bietet Arbeitnehmern, die über einen Firmenwagen verfügen, drei Alternativen an. Als Erstes können sie das vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Fahrzeug gegen ein umweltfreundlicheres eintauschen. Fahrer, die in diesem Jahr in das System einsteigen, können noch ein Auto besitzen, das maximal 105 Gramm CO2 pro Kilometer ausstößt. Ab 2021 gilt der 95-Gramm-Standard. Zweitens kann der Arbeitnehmer eines oder mehrere alternative Verkehrsmittel nutzen: Abonnement für den öffentlichen Nahverkehr, Fahrrad, Moped, Mono-wheel, Carsharing, Carpooling, Taxi usw. Eine dritte Möglichkeit bietet sich an, wenn das Mobilitätsbudget in den beiden vorangegangenen Punkten nicht vollständig ausgegeben wurde: Der Arbeitgeber erhält dann den Restbetrag des Budgets in bar.

„Jahr für Jahr bricht Belgien seine Staurekorde. Staus sorgen für wirtschaftlichen Schaden, sind eine Belastung für die Umwelt und eine Quelle für jede Menge Stress“, gibt Peeters selbst die Steilvorlage. „Das Mobilitätsbudget gibt den Arbeitnehmern mehr freie Wahl. Wer den Wagen nötig hat, kann ihn behalten. Wer lieber auf Bus oder Bahn, Fahrrad oder eine Kombination aller möglichen Verkehrsmittel umsteigt, kann dies auch. Das Budget schlägt drei Fliegen mit einer Klappe, ohne dass irgendjemand bestraft wird bzw. einen Nachteil hat: Es kann helfen, die Staus, die Luftverschmutzung und den Pendlerstress zu vermindern“. Der Minister ist vom Erfolg dieses neuen Angebots überzeugt. „Seit das Gesetz vor einem Monat in Kraft trat, spüre ich ein wachsendes Interesse. Außerdem haben Gewerkschaften und Arbeitgeber gemeinsam auf die Einführung des Mobilitätsbudgets gedrängt.“ Kris Peeters schätzt „auf Grundlage realistischer Befragungen“, dass ein Viertel der Arbeitnehmer, die heute über ein Firmenauto verfügen (etwa 465.000), mittel- und langfristig das Mobilitätsbudget in Anspruch nehmen. Das wären rund 115.000.

Ein Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, ein Mobilitätsbudget für sein Personal vorzusehen, aber Peeters glaubt, dass es im Konkurrenzkampf eine Rolle spielen könne, „wenn es darum geht, junge und ambitionierte Menschen für den eigenen Betrieb zu gewinnen“. In der Tat kann das Mobilitätsbudget Teil der Verhandlungen über ein Gehaltspaket sein. Bei einer Einigung würde es dem Arbeitsvertrag als Anhang beigefügt. Schon heute wenden einzelne Unternehmen, vor allem Beraterfirmen, ähnliche Alternativen an.

Benutzerfreundliche Website beantwortet Fragen zum Mobilitätsbudget.

Damit ist allerdings noch längst nicht alles gesagt. Wie wird das Mobilitätsbudget überhaupt berechnet? Welcher Arbeitnehmer kommt überhaupt infrage für ein Mobilitätsbudget? Wofür kann man es ausgeben? Solche und viele andere praktische Fragen beantwortet die neue Website lebudgetmobilite.be, die allerdings (noch) nicht in Deutsch besteht. Auch Simulationen gibt es dort nicht. „Alleine die Site jetzt anbieten zu können, war schon ein Husarenstück“, argumentiert Peeters. Auf der benutzerfreundlichen und leichtverständlichen Website werden insgesamt 63 praktische Fragen, die sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer stellen, beantwortet. So erfahren wir beispielsweise, dass das Mobilitätsbudget auf Grundlage der realen Kosten des früheren Firmenautos festgelegt wird. Das bedeutet, dass jemand, der einen längeren Arbeitsweg zurücklegt, ein höheres Budget erhält als jemand, der näher am Arbeitsplatz wohnt.

In Bezug auf die steuerlichen und parafiskalischen Auswirkungen gilt im Übrigen das gleiche System für umweltfreundlichere Firmenwagen wie für herkömmliche: Die Optionen 1 und 2 (umweltfreundlicheres Firmenauto und alternative Verkehrsmittel) unterliegen nicht der Einkommensteuer, sondern können zu 100 Prozent von der Körperschaftssteuer abgezogen werden. Für den in bar ausgezahlten Restbetrag wird ein Sonderbeitrag von 38,07% (25 % Arbeitgeberbeitrag + 13,07 % Arbeitnehmerbeitrag) erhoben, was bei den alternativen Verkehrsmitteln nicht der Fall ist. Dadurch wird dieser eventuelle Restbetrag in die Berechnung der Altersrente und anderer sozialer Rechte einbezogen. Im Bereich der Arbeitslosigkeit wird er als Teil der Beträge und Vorteile betrachtet.

Für jeden Arbeitnehmer wird ein Mobilitätskonto eingerichtet, das online abrufbar ist, sodass der Arbeitgeber das Budget leicht anpassen kann.

Abschaffung der Firmenautos bringt der Staatskasse 1,9 Milliarden Euro ein

  • Ein Ende der Steuervergünstigung für Firmenwagen würde der Staatskasse 1,9 Milliarden Euro einbringen und den Autoverkehr auf unseren Straßen um 3,6 Prozent reduzieren. Das hat das föderale Planbüro berechnet. Bei der Abschaffung würden die CO2-Emissionen in Belgien bis 2024 um 2,7 Prozent sinken.
  • Um unser Land CO2-neutral zu machen, hat die sogenannte Klimakoalition, ein Zusammenschluss von Umwelt- und zivilgesellschaftlichen Organisationen, verschiedene Maßnahmen vorgeschlagen. Das Planbüro berechnete auf Anfrage von Vizepremierminister Kris Peeters (CD&V) die Auswirkungen davon auf die Staatskasse.
  • Der auffallendste Vorschlag der Organisationen ist die Reduzierung der Anzahl der Firmenautos. Die Abschaffung des Steuervorteils für diese Fahrzeuge würde nach Angaben des Planbüros dem Staat 1,9 Milliarden Euro einbringen. Das Forschungsinstitut berechnete auch die Auswirkungen einer solchen Maßnahme auf die Mobilität: Die Zahl der gefahrenen Kilometer würde um 3,6 Prozent sinken, während 6,7 Prozent mehr Kilometer mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt würden. Mehr Menschen würden zu Fuß gehen oder mit dem Fahrrad fahren. Auffällig ist, dass auch der Lkw-Transport leicht um 0,2 Prozent zunehmen wird. Das hat damit zu tun, dass Lastwagen schneller durch den Verkehr kommen, weil durch das Verschwinden der Firmenwagen weniger Autos auf den Straßen sind.
  • Auch wäre die Abschaffung von Firmenautos gut für die Umwelt: Bis 2024 würden die CO2-Emissionen um 2,7 Prozent sinken. Die Vorteile fallen demnach geringer als, als die Grünen berechnet hatten: Sie hatten den Erlös aus der Abschaffung des Steuervorteils mit mehr als drei Milliarden Euro beziffert. Dieses Geld könnte als Mobilitätsbudget für alle berufstätigen Belgier verwendet werden, hieß es.
  • Andere Parteien wollen das System der Firmenautos erhalten. Sie befürchten, dass Mitarbeiter mit einem Firmenwagen einige hundert Euro verlieren, wenn der Steuervorteil wegfällt. Open VLD, CD&V und die N-VA beispielsweise wollen, dass der langfristige Steuervorteil nur für CO2-neutrale Autos erhalten bleibt. Auf diese Weise würden die Arbeitnehmer nicht mit niedrigeren Löhnen bestraft, und der belgische Fuhrpark würde sich schneller erneuern und damit umweltfreundlicher werden.
  • Ein zweiter Vorschlag der Klimakoalition ist die Einführung eines Kohlenstoffpreises für Sektoren, die nicht unter das europäische Emissionshandelssystem fallen. Dieses System wurde als Instrument zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes in der EU eingerichtet. Europäische Unternehmen aus der energieintensiven Industrie und dem Stromsektor zahlen für ihre Emissionen, andere Sektoren nicht. Die Klimakoalition will das ändern.
  • Das Planbüro hatte bereits zuvor die Einnahmen aus einem CO2-Preis im Verkehr zusätzlich zu den bestehenden Akzisen auf Benzin und Diesel berechnet. Demnach könnten daraus bis zum Jahr 2030 mindestens 780 Millionen Euro generiert werden. Die Auswirkungen auf das Verkehrsverhalten dagegen sind eher begrenzt: Die Anzahl der gefahrenen Kilometer würde nur um ein Prozent sinken. (gz)

Kommentare sind geschlossen.